Die zweite Berkeley-Cologne Summer School „Aesthetic Possibilities: Literature, Rhetoric, Philosophy“ ist dem Thema „Möglichkeitsdenken, Einbildungskraft, Phantasie: Theorien und Praktiken der Imagination“ gewidmet.
Sie findet vom 15.-19. August 2017 an der University of California, Berkeley, statt.
Imagination, Phantasie und Einbildungskraft sind Begriffe, die sich auf ein Vermögen beziehen, dessen Status immer schon zwiespältig ist. Einerseits bildet die Produktivität der Imagination als Vorstellungskraft – neben dem Vermögen des Gedächtnisses und der Vernunft – eine Bedingung der Möglichkeit aller Erkenntnis und Abstraktion, andererseits ist sie in ihrer relativen Unabhängigkeit vom empirisch Gegebenen und in ihrer oft nur schwer kontrollierbaren Kreativität auch ein Ort der Zersetzung, Auflösung, Überschreitung, und Neukonfiguration diskursiver, affektiver, und sinnlicher Ordnungen. So ist die Imagination das ‚Organ’, das die Bilder herstellt, die aller Erkenntnis zugrunde liegen, als Einbildungskraft aber gleichzeitig der Ursprung und Kern poetischer Entwürfe, die alle naturalistischen Konzepte des Erkennens unterlaufen. Wo von Möglichkeit und Möglichkeiten die Rede ist, werden daher in der Regel Imagination, Phantasie, und Einbildungskraft ins Spiel gebracht, liegt es doch in ihrer Macht, die normativen Komplexe und ihre Verbindlichkeiten zu sprengen und ihrer Stabilität zu berauben.
Die Dynamik der dabei in Frage stehenden Prozesse wird seit der Antike sichtbar. Etwa im komplexen Verhältnis von phantasia und memoria bei Aristoteles oder im Mittelalter, wo im Blick auf Wahrnehmungs- und Erkenntnisbestände – und ihre spezifische Freiheit – mit den Begriffen der ‚Entbildung’, ‚Einbildung’, und ‚Überbildung’ gespielt wird. Darin zeichnet sich nicht nur eine Phänomenologie menschlicher Erkenntnis- und Erfahrungsmöglichkeiten ab, sondern auch eine spezifische Funktion der Imagination als poetisches Vermögen der Entgrenzung diskursiver Ordnungen und der radikalen Neukonfiguration dessen, was Welt und Mensch sind und sein können. Ausgehend davon lässt sich eine Geschichte der Imagination nachzeichnen, die einerseits – etwa von Böhme bis Schelling – die kosmopoetischen Aspekte der Einbildungskraft, andererseits – von Lohenstein bis Trakl – die subversive Produktivität imaginativer Arbeit an der Sprache in den Vordergrund rückt. Dass dabei immer auch die Kontrolle und Disziplinierung der Imagination ein wichtiges Thema bildet, belegt nicht nur das ‚Gendering’, das vermeintlich wilde Imagination seit der Frühen Neuzeit als ‚weiblich’ fasst, sondern auch ihre Neutralisierung im Rahmen der bürgerlichen Ästhetik ‚interesselosen Wohlgefallens’.
Im Rahmen der Sommerschule werden wir einerseits historische Aspekte des Verständnisses von Imagination, Phantasie und Einbildungskraft untersuchen, andererseits anhand einer Reihe literarischer Fallstudien die Spezifik der Intervention der Imagination als Figuration des Möglichen explorieren.